Dem Werk Joseph Wittigs ist eine Vielfalt an Textformen zu eigen. Sie reicht vom wissenschaftlichen Aufsatz über die Erzählung hin zum Roman; Tagebücher und Briefe, Theaterspiele und Predigten, Rezensionen, Gedichte und Chroniken sind weitere literarische Ausdrucksformen.
Die wissenschaftlichen Publikationen reichen von der Studie über Papst Damasus I., die Wittig 1902 als Dissertation an der katholisch-theologischen Fakultät in Breslau einreicht, und die Arbeit zu "Filastrius, Gaudentius und Ambrosiaster", die als Grundlage zur Habilitation anerkannt wird, über Veröffentlichungen zur frühchristlichen Kirchengeschichte und Archäologie bis zur Neubearbeitung der Patrologie von Gerhard Rauschen. Neben den Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften finden sich auch Veröffentlichungen in Organen, die sich an interessierte Laien wenden. In der Zeitschrift "Heliand" schreibt Wittig über Kaiser Julian den Abtrünnigen, im "schlesischen Pastoralblatt" stellt er die Pfalzkapelle der mittelalterlichen Päpste vor, in der Zeitung "Das Heilige Feuer" erinnert er an den heiligen Hieronymus und die Anfänge der katholischen Kultur. Die Aufsätze zu Vincenz von Paul oder dem Breslauer Domherren Robert Spiske gehören ebenso wie die Darstellung der "altchristlichen Skulpturen im Museum der deutschen Nationalstiftung am Campo Santo in Rom" oder die Beschreibung des Papsttums in seiner weltgeschichtlichen Entwicklung in die Reihe wissenschaftlich fundierter, aber ausdrücklich an einen weiteren Leserkreis gerichteter Schriften. Mit historischen Anmerkungen zu kirchenpolitisch brisanten Themen wagt er sich in den öffentlichen Disput und äußert sich etwa zur Freiheit der Kinder Gottes, zur sozialen Frage und der christlichen Revolution, zum allgemeinen Priestertum oder zum ekklesiologisch bedeutsamen "Entwicklungs"-Gedanken.
Parallel zu diesen Aufsätzen, von denen Wittig später einen Großteil in das Werk "Das Alter der Kirche" aufnimmt, beginnt Wittig 1914 mit der Veröffentlichung von Erzählungen oder Geschichten, die Erinnerungen der eigenen Lebensgeschichte aufgreifen und zum Inhalt der theologischen Reflexion machen. "Der schwarze, der braune und der weiße König" wagen sich noch unter dem Pseudonym Johannes Strangfeld an das Licht der Öffentlichkeit; andere Erzählungen, die überwiegend an Geschehnisse aus der Kindheit Wittigs anknüpfen, folgen in den kommenden Jahren - ab 1917 unter dem Namen des Verfassers - und erscheinen 1922 in dem ersten Sammelband mit dem Titel "Herrgottswissen von Wegrain und Straße. Geschichten von Webern, Zimmerleuten und Dorfjungen." Mit diesen Herrgottsgeschichten wird Wittig über die Theologenzunft hinaus bekannt. Formal und inhaltlich scheint in ihnen bald eine große Vielfältigkeit auf: sie reicht von den novellenhaften Werken "Das Schicksal des Wenzel Böhm" oder "Michel Gottschlichs Wanderung" bis zur legendenhaften Schilderung des Einzugs des Heilands und seiner Apostel in Lüneburg; neben Erzählungen, in denen autobiographische Erinnerungen, theologische Überlegungen und kirchengeschichtliche Erkenntnisse miteinander verwoben sind, stehen Kurzgeschichten, denen jegliche diskursive Einfügungen fehlen. Viele der Geschichten erscheinen zunächst als Einzelpublikation und werden dann in Sammelbänden erneut veröffentlicht. Lebensgeschichtliche Erinnerungen, biblische Erzählungen und theologische Gedanken werden in den drei großen autobiographischen Büchern zusammengebracht, die von Wittig als umfassendere Werke konzipiert wurden: "Leben Jesu in Palästina, Schlesien und anderswo" (1925), "Höregott" (1929) und "Roman mit Gott" (1950 posthum veröffentlicht).
Die literarische Arbeit der 20er Jahre ist für Wittig geprägt von einem dialogischen Geschehen. Mit den Namen Eugen Rosenstock, Hans Franke und Martin Buber verbindet sich die Erinnerung an dialogische Werke. Es sind formal unterschiedliche, aber dem Bewußtsein des gemeinsamen Werkes entspringende Schriften. Die 1924 im Buch "Bergkristall" veröffentlichten Geschichten versteht der Autor als inspiriert durch den Dialog mit den Bildern des Malers Hans FAranke. Deutlicher als bei Beiträgen für andere Zeitschriften wissen sich die Aufsätze für "Die Kreatur" (1926-30) in einem gemeinsamen theologischen Anliegen gründend, das Joseph Wittig vor allem mit dem jüdischen Mitherausgeber Martin Buber in intensivem Austausch verbindet. Ausdrücklich als Werk der "Zweistimmigkeit" soll nach Maßgabe der Herausgeber die Sammlung "Das Alter der Kirche" verstanden werden, in der Eugen Rosenstock und Joseph Wittig 1927/28 Beiträge zur Geschichte der Kirche veröffentlichen.
"Zufällige Arbeiten" nennt Wittig die Werke, die er auf Anfrage von Zeitungsredaktionen, auf Bitte von Freunden oder aus anderen situativen Gegebenheiten heraus schreibt. Als prominenter Zeitgenosse, profilierter Theologe und populärer Schriftsteller ist Wittig gefragter Kommentator zu kirchlichen, politischen, gesellschaftlichen, heimatkundlichen Themen; nach seinem Ausschluß aus der katholischen Kirche gilt diese Nachfrage vor allem im evangelischen Raum und in Publikationsorganen der Grafschaft Glatz. Rundfunkansprachen, Predigten und Vorträge finden ebenfalls ihren Niederschlag in schriftlich publizierter Form. Die Zuwendung zur Heimatgeschichte spiegelt sich in Betrachtungen zu Kunstwerken und Dokumenten der Grafschaft. In Jahreskreisspielen für den Jugendhof in Hassitz, Beiträgen für das Glatzer Heimatblatt "Guda Obend" und Vorträgen vor dem Neuroder Volksbildungswerk versucht er sich an der Erneuerung des Volksbrauchtums zu beteiligen, in den Chroniken für die Stadt Neurode und die Gemeinde Schlegel arbeitet er die Lokalgeschichte seiner Heimat aus. Die Rezensionen, die Wittig seit Beginn seiner wissenschaftlichen Tätigkeit bis in die 40er Jahre hinein verfaßt, und die Nachrufe und Würdigungen, Bildbetrachtungen und Gedichte sind als weitere literarische Ausdrucksformen zu nennen.
Aus dem Rahmen der genannten Publikationen heben sich die Briefe und die Haus-Chroniken heraus.
Es sind zwei Textformen, die im Augenblick des Schreibens nicht für eine Veröffentlichung verfaßt wurden.
Nicht nur vom UmfanAg her bilden sie einen wichtigen Teil des schriftstellerischen Werkes. Mit dem
Bau des Hauses in Neusorge beginnt Wittig, jeweils sonntags die Geschehnisse der vergangenen Woche
in eine Haus-Chronik einzutragen, die auch nach der Vertreibung weitergeführt wird und somit in drei
Bänden mehr als 20 Jahre der Alltags- (und Sonntags-)geschichte des Hauses Wittig widerspiegelt. Das
Ausmaß der Korrespondenz läßt sich schwer ermessen. Die Zahlenangaben, die Wittig selber nennt,
variieren, lassen jedoch auf eine umfangreiche briefliche Kommunikation schließen. Neben den kämpferischen
Briefen in der Auseinandersetzung der 20er Jahre und jenen Briefen, die im Zusammenhang mit
Publikationen stehen, sind viele Sendungen Teil eines freundschaftlichen Verkehrs mit vertrauten Menschen.
Entscheidende Freundschaften Wittigs - mit Karl Muth, Hans Franke, Martin Rade, Hermann Mulert,
Helene Varges - leben weniger durch eine räumliche Nähe als durch eine kontinuierliche schriftliche Verbundenheit.
In dem 1993 veröffentlichten Band "Kraft in der Schwachheit. Briefe an Freunde" ist eine Auswahl dieser
Briefe aus den Jahren 1921 bis 1949 dokumentiert, die - noch ausdrücklicher als die Geschichten, Bücher und
Chroniken Wittigs - nicht nur gelebtes Leben zur Sprache bringen, sondern essentieller Bestandteil
dieses gelebten Lebens sind.